PRESSEMITTEILUNG 90/2018
Weilheim, den 20.12.18Herausforderungen des Konstruktiven Ingenieurbaus - oder: "Wie funktioniert die Quadratur des Kreises?": Christoph Prause, Leiter des Konstruktiven Ingenieurbaus am Staatlichen Bauamt Weilheim, zieht (s)eine Jahresbilanz 2018
Herr Prause, Ihre Abteilung „Konstruktiver Ingenieurbau“ beim Staatlichen Bauamt Weilheim ist eine sog. Querschnittsabteilung. Was heißt das konkret?
Christoph Prause: Wir sind in Maßnahmen aller Straßenbaugebietsabteilungen eingebunden, bei denen Ingenieurbauwerke wie Brücken, Stützmauern, Durchlässe, Lärmschutzbauwerke, Tunnel, Grundwasserwannen / Trogbauwerke etc. gebaut oder instandgesetzt werden sollen. Konkret zeichnen wir für über 1.400 Bauwerke in den fünf Landkreisen Weilheim-Schongau, Bad Tölz-Wolfratshausen, Landsberg am Lech, Starnberg und Garmisch-Partenkirchen verantwortlich.
Wie lassen sich diese Bauwerke beschreiben bzw. einteilen?
Christoph Prause: Der Löwenanteil sind 808 Brückenbauwerke und 558 Stützbauwerke (Stützmauern aus Stahlbeton und/oder Natursteinen), gefolgt von acht Verkehrszeichenbrücken, 23 Lärmschutzbauwerken wie Lärmschutzwände aus Stahl/Aluminium, Stahlbeton, Holz oder Gabionen (Steingitterkörbe), neun Tunnelbauwerken, drei Galeriebauwerken und sechs Grundwasserwannen, sog. Trogbauwerke (Stand: Dezember 2017).
Grundlegend ist, dass aufgrund von Topografie, Geologie, Verkehrsbedeutung (auch bauzeitlich gesehen), Statik sowie Vorgaben des Arten- und Umweltschutzes, der Wasserwirtschaft sowie weiterer Fachbehörden kein Bauwerk dem anderen gleicht. Wir schneidern sozusagen „stets einen Maßanzug“ für das jeweilige Projekt, das es nur einmal gibt.
Was ist die zentrale Herausforderung in Ihrer Abteilung?
Christoph Prause: Als Querschnittsabteilung macht es uns viel Spaß, in Großprojekten aller Straßenbaugebietsabteilungen eingebunden zu sein und Ingenieurverstand einzubringen. Durch den dabei entstehenden extremen Gleichzeitigkeitsfaktor bei der Projektrealisierung in allen fünf Landkreisen gilt es darüber hinaus die Bauwerkserhaltung im erforderlichen Umfang zu gewährleisten.
Sie sprechen einerseits die Bauwerkserhaltung an; andererseits sind Sie u. a. für 808 Brückenbauwerke zuständig. Überprüfen Sie und Ihre Mitarbeiter diese alle in Eigenregie?
Christoph Prause: Das wäre mit der bestehenden Personalstärke nicht zu stemmen. Die durchzuführenden Prüfungen sind ein Mix aus Eigen- und Fremdleistung. Fremdleistung bedeutet, dass wir die Prüfleistung an externe Ingenieurbüros vergeben, die uns nach erfolgter Bauwerksinspektion Prüfberichte erstellen. Sämtliche Prüfergebnisse werden elektronisch in unsere Bauwerksdatenbank eingelesen, so dass wir stets aktuelle Daten zur Verfügung haben und auf Knopfdruck den detaillierten Bauwerkszustand abrufen können. Prüfungen in Eigenleistung sind ein zentraler Baustein unseres Leistungsportfolios, denn die dafür erforderlichen Spezialkenntnisse wollen zum einen angewendet werden und zum anderen sind jährliche Mindestprüfumfänge nötig, damit prüfende Mitarbeiter dauerhaft die Lizenz als Bauwerksprüfer er- und behalten.
Wie viele Brückenprüfungen sind das z. B. pro Jahr?
Christoph Prause: Ca. 480 Eigen- und Fremdprüfungen.
Gibt es Vorschriften oder ein Regelwerk, das Sie bzw. die Ingenieurbüros zu beachten haben?
Christoph Prause: Ja, das ist die „DIN 1076“, an deren normative Vorgaben wir gebunden sind. Dieses Regelwerk ist sozusagen die „Bibel“ für die Brückenprüfung, wo Organisation und Ablauf genau geregelt werden mit dem Ziel der Erkennung des Ist-Zustands und einer frühzeitigen Schadenserfassung. Damit eng vernetzt werden vorgegebene Zeitrhythmen für Ingenieurbauwerke; denn alle sechs Jahre hat eine Hauptprüfung, alle drei Jahre eine einfache Prüfung zu erfolgen. Unsere Datenbank liefert Informationen, welches Bauwerk wann zur Prüfung ansteht.
Welche Mängelkategorien gibt es und wie gehen Sie vor?
Christoph Prause: Drei. Dies ist erstens die Standsicherheit (statische Konstruktion), zweitens die Verkehrssicherheit und zum dritten die Dauerhaftigkeit. Damit sind Bauwerksschäden gemeint, die die Lebenszeit des Bauwerks beeinflussen. Danach werden die Bauwerke beurteilt. Die Gesamtnote ergibt die Zustandsnote des betroffenen Bauwerks. Diese bildet die Entscheidungsbasis für eine abschließende Bewertung, ob wir ein Klein- oder Großprojekt daraus ableiten. Dafür nutzen wir eine Entscheidungsmatrix, aus der wir das jeweilige Baujahresprogramm entwickeln.
Wie sieht Ihr „ideales Jahresprogramm“ aus und was wären die Voraussetzungen dafür?
Christoph Prause: Angestrebt wird ein ausgewogenes Verhältnis an Brückenneubauten, Bauwerksinstandsetzungen, Vorbereitungen zur Baurechtserlangung (sog. Planfeststellungsverfahren) sowie Maßnahmen zur Planungsvorbereitung. Das sind Vorplanungen, für die kein Baurecht erforderlich ist und u. a. Verträge mit Ingenieurbüros abgeschlossen werden.
Das übergeordnete Ziel ist, Jahr für Jahr in einem ausgewogenen Verhältnis zu agieren und für eine gleichmäßige Auslastung zu sorgen, denn das Baurecht „darf nicht ausgehen“ (lacht). Voraussetzungen dafür sind Personalkapazität, genehmigte Bauwerksentwürfe, die Abbildung im Haushalt des Bundes, des Landes oder des Kreises. Sprich, das Geld muss vorhanden sein.
Was waren Ihre wichtigsten Baustellen bzw. –werke im Jahr 2018?
Christoph Prause: Im Neubaubereich die Teilerneuerung der Echelsbacher Brücke mit Verkehrsfreigabe der Behelfsbrücke und ein weit vorangeschrittener Rückbau des Bestandsbauwerks und zum anderen der Neubau der Mühlkanalbrücke in Schongau, wo wir trotz intensiver Vorarbeiten von unkalkulierbaren Unwägbarkeiten überrascht wurden. Darüber wurde und wird in der Presse viel geschrieben. So haben mehrfache Funde von Munitionsresten aus dem zweiten Weltkrieg zu Turbulenzen im Bauablauf und bei der Kommunikation mit den Anwohnern geführt. Jeden Anwohner persönlich abzuholen ist und bleibt definitiv eine Herausforderung. Wir haben situativ angemessen informiert und werden dies auch weiterhin tun.
Ausgesprochen erfreulich und bautechnisch in hoher Qualität konnte im Zeitraum von Ende Mai bis Ende Oktober 2018 die Instandsetzung der Lechbrücke südlich Apfeldorf auf der Staatsstraße 2055 realisiert werden.
Abschließend ist der Ersatzneubau von zwei Brücken – der Wildbach- und der Stuhlbachbrücke – auf der Kreisstraße Töl 24 im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen kurz vor Vorderriß zu erwähnen.
Schauen wir ins neue Jahr 2019 bzw. gerne auch darüber hinaus. Was können Sie uns zu geplanten (Groß)Projekten sagen?
Christoph Prause: Die beiden erstgenannten Projekte stehen im kommenden Jahr weiterhin ganz oben auf unserer Agenda. Dazu kommen neue Maßnahmen wie der Rückbau einer Geh- und Radwegbrücke mit kombinierter Viehtrift bei Perchting und der Neubau eines Wellstahldurchlasses an gleicher Stelle. Für den Bau einer großen Stahlbogenbrücke auf der Staatsstraße 2070 über die Amper nördlich des Ammersees bei Stegen werden intensive Planungsvorbereitungen anlaufen. Der Baubeginn ist für das Frühjahr 2020 vorgesehen.
Es gilt, sich den Herausforderungen der Zukunft zu stellen. In diesem Zusammenhang ist der Aufbau einer Tunnelbau- und Betriebsorganisation im Bauamt Weilheim vorrangig zu nennen. Aufgrund der Tatsache, dass wir in absehbarer Zukunft eine ganze Reihe von Großprojekten zu realisieren haben wie z. B. den Kramertunnel, Wanktunnel, Auerbergtunnel, Tunnel Starnberg, Ortsumgehung Murnau sowie mehrere Ausbaumaßnahmen auf Bundesstraßen haben und werden wir weiterhin einen hohen Bedarf an qualifizierten Fachkräften haben. Für Personen, die an der Mitwirkung und Realisierung dieser Projekte Interesse haben und entsprechende fachliche Qualifikationen vorweisen können, empfehle ich daher einen regelmäßigen Blick auf unsere Stellenbörse unter Karriere/Stellenangebote auf unserer Website stbawm.bayern.de
Das Interview mit Herrn Christoph Prause führte die neu eingerichtete Stelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Staatlichen Bauamts Weilheim.
Bildunterschrift:
Foto Christoph Prause (ChristophPrause.JPG)
Der Abteilungsleiter des Konstruktiven Ingenieurbaus am Staatlichen Bauamt Weilheim Christoph Prause
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Auskunft erteilen:
Herr Prause, Tel. 0881/990-1600
Herr Abenthum, Tel. 0881/990-1167